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Reinigungskraft für das Wettbewerbsregister – Bundeskartellamt veröffentlicht Leitlinien

Das Bundeskartellamt („BKartA“) hat am 25. November 2021 wichtige Dokumente für den praktischen Umgang mit dem neuen Wettbewerbsregister veröffentlicht. Konkret geht es um Leitlinien zur vorzeitigen Löschung einer Eintragung aus dem Wettbewerbsregister wegen Selbstreinigung sowie zusätzliche „Praktische Hinweise“ für einen entsprechenden Antrag. In diesem Beitrag beleuchten wir kurz die Hintergründe beider Dokumente und stellen die hierdurch weiterhin zunehmende Bedeutung der Kartellrechts-Compliance für Unternehmen heraus.

Das Ende März 2021 in Betrieb genommene Wettbewerbsregister ermöglicht es öffentlichen Auftraggebern, schnell und einfach nachzuprüfen, ob ein Unternehmen im Rahmen eines öffentlichen Vergabeverfahrens aufgrund von Wirtschaftsstraftaten oder Ordnungswidrigkeiten unberücksichtigt bleiben muss oder kann. Grundlage hierfür ist das Gesetz zur Einführung des Wettbewerbsregisters, das am 29. Juli 2017 in Kraft getreten ist. In diesem Gesetz sind alle Straftaten und Ordnungswidrigkeiten aufgeführt, die eine Eintragung in das Wettbewerbsregister begründen. Dazu zählen diejenigen, die gem. § 123 Abs. 1 und 4 GWB zwingend zu einem Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren führen (u.a. Bildung krimineller Vereinigungen, Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche) und solche, die gem. § 124 Abs. 1 GWB fakultative Ausschlussgründe darstellen. Bei letzteren geht es u.a. um Verstöße gegen umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge, vor allem aber um Verstöße gegen das Kartellverbot aus § 1 GWB bzw. Art. 101 Abs. 1 AEUV (§ 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB). Die zur Verfolgung entsprechender Straftaten und Ordnungswidrigkeiten berufenen Behörden sind ab dem 1. Dezember 2021 verpflichtet, dem BKartA als registerführende Behörde elektronisch Informationen über Rechtsverstöße mitzuteilen.

Abhängig von der konkreten Straftat bzw. Bußgeldentscheidung werden Eintragungen nach Ablauf von drei oder fünf Jahren ab dem Tag der Rechts- oder Bestandskraft der Entscheidung oder ab dem Erlass der Bußgeldentscheidung gelöscht. Hat sich das betreffende Unternehmen aber einer sog. vergaberechtlichen Selbstreinigung unterzogen, können Eintragungen vorzeitig gestrichen werden. Was ein Unternehmen hierbei zu beachten, zu erfüllen, darzulegen und nachzuweisen hat, konkretisiert das BKartA in seinen nun veröffentlichten Leitlinien.

Darin stellt es zunächst allgemein klar, dass die vorzeitige Löschung die Selbstreinigung und einen schlüssigen, nachvollziehbaren und vollständigen Antrag nebst wesentlicher Beweismittel sowie der einer Eintragung zugrunde liegenden Entscheidungen voraussetzt. Der Antrag muss zulässig und begründet sein.

Zur Zulässigkeitsvoraussetzung des berechtigten Interesses an einer vorzeitigen Löschung fordert das BKartA, dass der Antragsteller glaubhaft machen muss, „an Verfahren über die Vergabe öffentlicher Aufträge teilzunehmen oder dies zu beabsichtigen“. Er muss in diesem Rahmen mitteilen, welche Umsätze er mit öffentlichen Aufträgen in den zwei dem Antrag vorausgegangen Jahren bundesweit erzielt hat.

Den Ausführungen zur Begründetheit lässt sich entnehmen, dass das BKartA von den antragstellenden Unternehmen erwartet, dass (1) sie die durch die Straftaten und Ordnungswidrigkeiten entstandenen Schäden durch Nachzahlungen von Steuern, Abgaben, Beiträgen oder Schadensausgleich bzw. entsprechende Verpflichtungen ausgleichen, (2) aktiv mit den Behörden zusammenarbeiten, um eine umfassende Sachverhaltsaufklärung voranzutreiben, und (3) technische, organisatorische sowie personelle Maßnahmen zur Vermeidung weiteren Fehlverhaltens treffen. Von besonderer Bedeutung sind dabei die organisatorischen Maßnahmen – denn hierunter versteht das Amt die unternehmensinterne (Kartellrechts-)Compliance.

Im Zusammenhang mit den danach gewünschten Compliance-Maßnahmen fordert das BKartA, dass eine unternehmens-, fall- und zukunftsbezogene Risikoanalyse vorgenommen wird. Aus den Leitlinien ergibt sich dabei auch, dass die Einführung oder Anpassung standardisierter Compliance-Management-Systeme („CMS“) bei der Beurteilung der Selbstreinigungsmaßnahmen positiv ins Gewicht fallen wird. In den Praktischen Hinweisen, die zu ungefähr einem Drittel den Compliance-Maßnahmen gewidmet sind, erläutert das BKartA den Begriff der „effektiven Compliance“, gibt Fallbeispiele und zeigt zahlreiche Punkte auf, die von zu gelingender Selbstreinigung beitragenden Compliance-Maßnahmen berücksichtigt werden müssen. Hierzu zählen

  • die Risikoanalyse,
  • Anpassungen der Organisations- und Aufsichtsstruktur,
  • das Bekenntnis der Unternehmensleitung zu rechtskonformem Handeln,
  • die sorgfältige Auswahl, Schulung und Kontrolle der Unternehmensbeschäftigten,
  • der Umgang mit Hinweisen („Whistleblowing“),
  • angemessene Ressourcen und Kompetenzen der für die Compliance verantwortlichen Personen,
  • Anreize für die Beachtung der Compliance-Anforderungen und Ahndung von Zuwiderhandlungen sowie
  • die Evaluation und Anpassung von Compliance-Maßnahmen.

Das BKartA weist darauf hin, dass nicht immer alle dieser Punkte gleichermaßen relevant seien, sodass ihre unreflektierte Berücksichtigung durchaus zu „überschießenden“ Maßnahmen führen könne. Gleichzeitig könne die Einrichtung oder Anpassung standardisierter CMS u.U. nicht die notwendige Tiefe und Spezifität aufweisen, die für eine erfolgreiche Selbstreinigung erforderlich sind. Daher sollte stets anhand aller Einzelfallumstände analysiert und entschieden werden, welche Compliance-Maßnahmen konkret einzuleiten sind.

Die detaillierten Compliance-Vorgaben in den Leitlinien und den Praktischen Hinweisen sind ein weiterer Beleg für die zunehmende Bedeutung allgemeiner kartellrechtlicher Compliance. In Deutschland können sich Unternehmen mit wirksamen und angemessenen CMS seit der 10. GWB-Novelle auf § 81d Abs. 1 S. 2 Nr. 4 und 5 GWB stützen, um eine Berücksichtigung bei der Bußgeldzumessung zu erreichen (zu den Einzelheiten dieser „Compliance Defense“). Außerdem werden beispielsweise in den USA seit dem Sommer 2019 effektive Compliance-Anstrengungen bei der Verfolgung von Kartellverstößen umfassend honoriert (siehe hierzu 10. GWB-Novelle: Compliance-Defense im Gesetz verankert). All dies schafft Anreize für Unternehmen, ihre Compliance-Programme zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen. Der wichtigste Faktor dabei ist die Effektivität des Compliance-Programms. Denn nur ein effektives Compliance-Programm kann, ob nun im Rahmen der Bußgeldbemessung oder einer Entscheidung über die vorzeitige Löschung einer Eintragung aus dem Wettbewerbsregister, zu einer wohlwollenden Beurteilung zugunsten des betreffenden Unternehmens führen. Insoweit ist – wenngleich die jüngst aktualisierten Bußgeldleitlinien des BKartA diesen Zusammenhang nicht explizit herstellen – auch davon auszugehen, dass die hier besprochenen Handreichungen jedenfalls mittelbar auch Bedeutung für Bußgeldverfahren haben werden. Das gilt zumindest für „angemessene und wirksame Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Zuwiderhandlungen“, die in § 81d Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GWB als bußgeldmindernder Faktor erwähnt sind. Die nun veröffentlichten Dokumente enthalten nämlich zahlreiche wichtige Hinweise dafür, wie das BKartA „angemessen und wirksam“ einstuft. Sie werden dadurch auch jenseits des Vergaberechts und der Pflege des Wettbewerbsregisters von Bedeutung für die Bußgeldbemessung des BKartA sowie für den allgemeinen kartellrechtlichen Compliance-Standard für Unternehmen in Deutschland sein. 

 

 

Verfasst von Christian Ritz, Christoph Wünschmann, Dennis Cukurov und Florian von Schreitter

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