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ESG in der Immobilienbranche betrifft nicht nur die Nachhaltigkeit einer Immobilie, sondern auch Unternehmen der Branche in der Unternehmensführung
"Nachhaltigkeit" und "Environment, Social, Governance" sind fester Bestandteil des Vokabulars der Immobilienbranche. Die Immobilie ist nach wie vor ein beliebtes Anlageobjekt und damit Bestandteil des ESG-regulierten Finanzmarktes.
Alle Unternehmen ab einer bestimmten Größe, die Immobilienfondsverwalter und letztlich auch die Projektentwickler als „Lieferanten“ des Anlageproduktes Immobilie, aber auch die Bestandshalter als Vermieter an berichtspflichtige Unternehmen betreffen eine Vielzahl der Regelungen – Verordnungen, Richtlinien, delegierte Akte, Bundes- und Ländergesetze – die eine nachhaltige Unternehmensführung ausmachen. ESG in der Immobilienbranche betrifft daher nicht nur die Frage der Nachhaltigkeit der Immobilie (als Anlageprodukt) selbst, sondern auch viele Unternehmen der Branche in der Unternehmensführung. Viel Unsicherheit besteht jedoch bei der Frage, wer welche Regelungen beachten muss und welche Verpflichtungen damit verbunden sind.
Wer Finanzmarktteilnehmer im Sinne des Art. 2 Nr. 1 SFDR (= Sustainalble Finance Disclosure Regulation = OffenlegungsVO = Verordnung EU 2019/2088) ist oder Finanzprodukte im Sinne des Art. 2 Nr. 12 der SFDR vertreibt, ist offenlegungspflichtig, d. h. verpflichtet, offenzulegen, welche Strategien zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungen berücksichtigt werden (Art. 3 SFDR). Dabei muss spätestens seit dem 30. Dezember 2022 für jedes Finanzprodukt eine Erklärung abgegeben werden, welches die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitskriterien sind und wie diese bei der Anlageentscheidung berücksichtigt wurden. Dies gilt auch dann, wenn es sich nicht um ein sogenanntes „grünes“ Anlageprodukt (also beispielsweise einen Immobilienfond nach Art. 8 oder Art. 9 der Taxonomieverordnung) handelt (PAI-Statement (principal adverse impact)).
Damit fallen beispielsweise alle Versicherungsunternehmen, die Immobilien als Versicherungsanlageprodukt (insurance-based investment product, IBIP) anbieten, Assetmanager, die Immobilien-Portfolioverwaltung erbringen, Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, die in Immobilien investieren, die Verwalter alternativer Immobilien-Investmentfonds (alternative investment fund manager, AIFM) aber auch Kreditinstitute, die (Immobilien)Portfolioverwaltung erbringen, unter die Offenlegungsverpflichtungen der SFDR.
Wichtig zu wissen ist, dass das Unternehmen als Finanzmarktteilnehmer nicht über sich selbst berichtet, sondern über sein Anlageprodukt „Immobilie“ und seine Anlagestrategie.
Berichtspflichten für die Unternehmen der Immobilienbranche können sich aber nicht nur aus ihrer Eigenschaft als Finanzmarktteilnehmer ergeben, sondern auch aus den verschiedenen Gesetzen zur Umsetzung der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD = Corporate Sustainability Reporting Directive). Unter „Corporate Social Responsibility“ oder kurz CSR ist die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens zu verstehen. Die CSRD löst die „Non-Financial Reporting Directive“ (NFRD) ab und verpflichtet für das Berichtsjahr ab 2024 alle großen Unternehmen ab 250 Mitarbeitern im Jahresdurchschnitt mit einer Bilanzsumme von über 20 Millionen Euro und einem Umsatz von über 40 Millionen Euro Nachhaltigkeitsberichte zu veröffentlichen. Ab 2026 trifft dies auch alle kapitalmarktorientierten kleinen und mittleren Unternehmen, wenn diese im Jahresdurchschnitt mehr als 10 Beschäftigte haben, eine Bilanzsumme von 350.000 Euro überschreiten und 700.000 Euro Nettoumsatzerlöse überschreiten. Jeweils zwei dieser drei Größenmerkmale müssen überschritten werden, sodass ein Großteil der in der Immobilienbranche tätigen Unternehmen davon betroffen sein werden.
Inhalt des unternehmensbezogenen Nachhaltigkeitsberichtes sind alle Umstände, die entweder aus Gründen des Geschäftserfolges oder aus ökologischen bzw. sozialen Gesichtspunkten wesentlich sind. Sektorspezifische Standards sollen in den nächsten drei Jahren in Paketen erstellt werden, erstmals 2023. Inhaltliche Vorgaben werden die Europaen Sustainability Reporting Standards (ESRS) machen, die Angaben zu den sechs Umweltzielen der Taxonomieverordnung, Angaben zu gesellschaftlichen Aspekten (wie beispielsweise Chancengleichheit, Arbeitsbedingungen und Achtung der Menschenrechte) sowie Angaben zu Governance-Aspekten (wie beispielsweise Unternehmensethik und Unternehmenskultur, Korruptionsbekämpfung und Risikomanagementsysteme etc:) vorsehen.
Da EU-Richtlinien kein unmittelbar geltendes Recht sind, sondern durch nationale Gesetze umzusetzen sind, gelten für die Unternehmen derzeit beispielsweise die Vorschriften zu Lage- und Nachhaltigkeitsberichten in den §§ 289b–e, 315b–d HGB, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), Vorschriften des Entgelttransparenzgesetzes, Vorschriften zur Mindestbeteiligung von Frauen in Vorstand (§ 76 Abs. 3a AktG) und Aufsichtsrat (bereits seit 2015, § 96 Abs. 2 AktG) etc.
Auch das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) resultiert aus der Umsetzung einer CSR-Richtlinie, trifft Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern und gilt seit 1.1.2023.
Die Berichtspflicht trifft hier die Unternehmenstätigkeit selbst, also nicht das Anlageprodukt Immobilie.
Viele Unternehmen der Immobilienbranche erbringen Dienstleistungen rund um die Immobilie. Zur Erfüllung ihrer Berichtspflichten sind die berichtspflichtigen Unternehmen darauf angewiesen, dass die entsprechenden Daten regelkonform, d. h. insbesondere unter Berücksichtigung der DatenschutzGVO erhoben werden. Ist der Dienstleister Lieferant im Sinne des LkSG muss es auch diese Anforderungen erfüllen und so darstellen, dass der Auftraggeber im Rahmen des ihm obliegenden Risikomanagements die Einhaltung der geschützten Rechtsposition im Sinne des § 2 LkSG nachweisen kann.
Im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichtserstattung für Finanzprodukte ist nach Art. 2 Nr. 17 SFDR zu prüfen, ob die Investition der Erreichung eines Umweltziels oder eines sozialen Ziels dient und gleichzeitig keine erhebliche Beeinträchtigung eines anderen Umweltziels vorliegt sowie die Verfahrensweisen einer guten Unternehmensführung angewandt werden. Der Schwerpunkt der Investitionen in der Immobilienwirtschaft bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit liegt zu 70-85 % auf der ökologischen Nachhaltigkeit der Immobilie und – bezogen auf das Finanzprodukt Immobilie – nur zu 15-30 % auf den Kriterien S und G. Für die Umweltziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel finden sich in der Delegierten VO 2021/2139 Vorgaben, welche technischen Anforderungen Gebäude erfüllen müssen, um diese Umweltziele zu erreichen. Für die weiteren vier Umweltziele sollen im Jahr 2023 entsprechende Delegierte Verordnungen inkrafttreten. Für die Überprüfung der ökologische Qualität von Immobilien gibt es inzwischen eine Vielzahl von Zertifikaten. Das QNG-Siegel, das, neben weiteren Voraussetzungen, auch Voraussetzung für die Erreichung bestimmter Förderungen auf Bundesebene ist, kann für den Nachweis der ökologischen Qualität mit herangezogen werden. Gleiches gilt für die ESG Verifikation zur EU-Taxonomie des DGNB.
Aber auch wenn die Immobilie kein Finanzprodukt im Sinne der SFDR ist, empfiehlt es sich, die Umweltziele zu beachten und Strategien zu entwickeln, CO2 einzusparen. Verschiedene Richtlinien, die die ökologischen Standards von Gebäuden definieren, sind bereits beschlossen (z.B. die Richtlinie zur Gesamteffizienz von Gebäuden, welche durch das Gebäudeenergiegesetz (GEG) in nationales, deutsches Recht umgesetzt wurde). Weitere Richtlinien mit dem Ziel, die CO2-Freiheit im Betrieb von Immobilien bis 2050 zu erreichen und verbindliche Energiestandards einzuführen, sind auf der Ebene der EU in Planung.
Ist ein Unternehmen der Immobilienwirtschaft ein CSR-berichtspflichtiges Unternehmen, muss es derzeit entsprechender Nachhaltigkeitsberichte im Lagebericht nach HGB vorliegen.
Mietet ein CSR-berichtspflichtiges Unternehmen eine Immobilie an, wird in der Regel Wert auf ökologischen Standards, aber auch eine ökologische Bewirtschaftung gelegt. Diese Verpflichtungen werden in der Regel in Green Leases festgehalten und müssen durch entsprechende Gebäude-Zertifizierungen vermieterseits belegt werden. Um einer ökologische Bewirtschaftung der Immobilie durchzusetzen, sind entsprechende Leistungsverzeichnisse in Property- und Asset-Management- Verträgen unerlässlich.
Die erforderlichen immobilienbezogenen Maßnahmen zur Einhaltung bzw. Erreichung von Klimazielen sind in der Delegierten VO EU 2021/2139 beschrieben. Bei Neubauten muss die Energieeffizienz des errichteten Gebäudes 10 % unter dem Schwellenwert der Anforderung für Niedrigstenergiegebäude liegen. Bei der Renovierung von Gebäuden sind die Voraussetzungen nach Ziff. 7.2 des Anhangs I der Delegierten VO 2021/2139 zu erfüllen. Ziel der gesetzgeberischen Maßnahme ist es im Wesentlichen, eine Netto-Null-Bilanz an CO2-Emission des Gebäudes und dessen Bewirtschaftung erreichen. Die entsprechenden Nachweise sind durch Produktdatenblätter, Bauzertifikate oder eine in der EU bestehende Produktkennzeichnung sowie entsprechende Wärmebildmessung zu führen.
Die CSR-Berichtspflichten werden durch den Nachhaltigkeitsbericht und den Lagebericht erfüllt und sind zukünftig sowohl retrospektiv als auch zukunftsbezogen zu verfassen. Der Nachhaltigkeitsbericht ist als Teil des Lageberichtes ist zukünftig verpflichtend. In diesem sind die strategischen Ziele zu definieren sowie eine Risikoanalyse durchzuführen und die relevanten Aspekte der nicht finanziellen Leistungsindikatoren darzustellen. Insbesondere müssen geeignete KPI`s zur Steuerung der Nachhaltigkeitsziele und der operativen Aktivitäten definiert und umgesetzt werden. Eine enge Orientierung an den Leitlinien der GRI (Global Reporting Initiative) ist empfehlenswert. Darüber hinaus müssen Wissen, Strukturen und Prozesse im Unternehmen integriert werden, die die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele dauerhaft gewährleisten. Hierzu gehört Kompetenz- und Wissensaufbau Management, die Installation von Controllingprozessen, die Datenbereitstellung und Organisation eines nachhaltigen Lieferkettenmanagements. Denkbar ist auch die Verknüpfung der Vergütung des Managements mit der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen.
Es sind eine Menge Vorschriften und Regelungen zu beachten. Sowohl auf der Immobilien- als auch auf der Unternehmensebene sind konkrete Ziele für das Nachhaltigkeitsmanagement unerlässlich. In jedem Fall ist eine ehrliche Kommunikation zwingend.
Verfast von Sabine Reimann.