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Erste Entscheidungen zur Mietzahlungspflicht während pandemiebedingter Beschränkungen

Im Früh­jahr die­ses Jah­res wa­ren in Deutsch­land auf­grund pan­de­mie­be­ding­ter be­hörd­li­cher An­ord­nun­gen un­ter an­de­rem Ein­zel­han­dels­ge­schäf­te für meh­re­re Wo­chen ge­schlos­sen. In­zwi­schen gibt es die ers­ten Ur­tei­le dar­über, ob die Mie­ter der be­trof­fe­nen Ge­wer­be­miet­flä­chen für die­se Zeit zur Zah­lung des (vol­len) Miet­zin­ses ver­pflich­tet sind. In An­be­tracht der ak­tu­el­len Ent­wick­lun­gen und der neu be­schlos­se­nen Ein­schrän­kun­gen des öf­fent­li­chen Le­bens könn­ten die­se Ur­tei­le um­so be­deu­ten­der wer­den:

Land­ge­richt Hei­del­berg, Land­ge­richt Zwei­brü­cken, Land­ge­richt Frank­furt a.M.: Miet­zah­lungs­pflicht bleibt voll be­ste­hen

Das Land­ge­richt Hei­del­berg (Urt. v. 30.7.2020, Az. 5 O 66/20), das Land­ge­richt Zwei­brü­cken (Urt. v. 11.9.2020, Az. HK O 17/20) so­wie das Land­ge­richt Frank­furt a.M. (Urt. v. 02.10.2020, Az. 2-15 O 23/20) ha­ben im Hin­blick auf die Schlie­ßungs­an­ord­nun­gen im März und April 2020 in den je­weils ih­ren Ur­tei­len zu­grun­de­lie­gen­den Ein­zel­fäl­len ent­schie­den, dass die ge­werb­li­chen Mie­ter die Mie­te in vol­ler Hö­he ent­rich­ten müs­sen.

Be­son­ders aus­führ­lich ist in die­sem Zu­sam­men­hang das vor­ge­nann­te, noch nicht rechts­kräf­ti­ge Ur­teil des Land­ge­richts Hei­del­berg. Das Ge­richt ar­gu­men­tiert dar­in un­ter Be­zug­nah­me auf BGH-Recht­spre­chung ins­be­son­de­re mit der grund­sätz­li­chen Ri­si­ko­ver­tei­lung im Miet­ver­trag. Im Hin­blick auf ei­nen et­wai­gen Sach­man­gel führt es aus:

„Durch ho­heit­li­che Maß­nah­men be­wirk­te Ge­brauchs­be­schrän­kun­gen kön­nen […] nur dann ei­nen Man­gel be­grün­den, wenn sie un­mit­tel­bar mit der kon­kre­ten Be­schaf­fen­heit, dem Zu­stand oder der La­ge der kon­kre­ten Miet­sa­che in Zu­sam­men­hang ste­hen; Maß­nah­men, die nur den ge­schäft­li­chen Er­folg des Mie­ters be­ein­träch­ti­gen, fal­len in des­sen Ri­si­ko­be­reich.“

Die be­hörd­li­chen Schlie­ßungs­an­ord­nun­gen ord­net das Land­ge­richt Hei­del­berg als be­triebs­be­zo­gen ein und lehnt ei­ne Min­de­rung des­halb ab. Es führt dar­über hin­aus aus, dass der Ver­mie­ter sei­ner Haupt­leis­tungs­pflicht um­fäng­lich nach­ge­kom­men sei – ei­ne Un­mög­lich­keit der Ge­brauchs­über­las­sung lie­ge nicht vor:

„Die Klä­ger ha­ben der Be­klag­ten die Miet­sa­che, wie es ih­rer Haupt­leis­tungs­pflicht ent­spricht, in ge­brauchs­taug­li­chem Zu­stand be­reit­ge­stellt. Der Um­stand, dass die Nut­zung für die Be­klag­te nicht wie von ihr be­ab­sich­tigt mög­lich war, liegt nicht an der Sa­che selbst.“

Auch ei­ne Miet­re­duk­ti­on auf­grund ei­ner Stö­rung der Ge­schäfts­grund­la­ge lehnt das Land­ge­richt Hei­del­berg ab. Zwar han­de­le es sich bei den CO­VID-19-be­ding­ten Schlie­ßungs­an­ord­nun­gen um ei­ne sol­che Stö­rung der Ge­schäfts­grund­la­ge. Es sei je­doch zum ei­nen be­reits frag­lich, ob der An­wen­dungs­be­reich des ent­spre­chen­den und grund­sätz­lich nach­ran­gi­gen § 313 BGB durch das Ge­setz zur Ab­mil­de­rung der Fol­gen der CO­VID-19-Pan­de­mie im Zi­vil-, In­sol­venz- und Straf­ver­fah­rens­recht vom 27. März 2020 ge­sperrt sei,

„da sich die­ses aus­drück­lich auf Miet­ver­trä­ge be­zieht und in­so­weit zwin­gen­de Re­ge­lun­gen zur Ri­si­ko­ver­tei­lung ent­hält.“

Dies sei aber nicht ab­schlie­ßend zu be­ur­tei­len, da ein Fest­hal­ten an der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Miet­zah­lungs­pflicht im kon­kre­ten Ein­zel­fall je­den­falls zu­mut­bar sei. An die­ser Stel­le ver­weist das Ge­richt un­ter an­de­rem er­neut auf das grund­sätz­li­che Ver­wen­dungs­ri­si­ko des Mie­ters in Be­zug auf die Miet­sa­che. Zu­dem hät­ten die Par­tei­en ei­ne Min­dest­mie­te und dar­über hin­aus ei­ne Um­satz­mie­te ver­ein­bart, was zei­ge, dass die Ver­mie­te­rin im Rah­men der Min­dest­mie­te nicht an ei­nem „gänz­li­chen Miss­er­folg“ der Mie­te­rin par­ti­zi­pie­ren woll­te. Au­ßer­dem ha­be die Mie­te­rin das Ob­jekt noch in ei­nem ge­wis­sen Um­fang ge­nutzt und (dar­auf stell­te das Ge­richt maß­geb­lich ab) ei­ne Exis­tenz­ge­fähr­dung sei nicht dar­ge­legt wor­den.

Land­ge­richt Mün­chen I: Min­de­rung an­ge­nom­men

Das Land­ge­richt Mün­chen I (Urt. v. 22.09.2020, Az. 3 O 4495/20) hat dem­ge­gen­über ent­schie­den, dass so­wohl die be­hörd­li­che Schlie­ßungs­an­ord­nung als auch sons­ti­ge pan­de­mie­be­ding­te be­hörd­li­che Be­schrän­kun­gen (Be­schrän­kun­gen der Ver­kaufs­flä­che und Kun­den­zahl) ei­nen Miet­man­gel be­grün­den kön­nen sol­len.

Da­bei ver­weist das Ge­richt ins­be­son­de­re auf Ent­schei­dun­gen des Reichs­ge­richts, in de­nen be­hörd­li­che Ver­bo­te und An­ord­nun­gen (bspw. Tanz­ver­bot und Ver­bot ei­nes Fa­brik­be­triebs) je­weils als Man­gel der Miet­sa­che ein­ge­ord­net wur­den – im­mer un­ter Ver­weis auf den ver­trags­ge­mä­ßen Ge­brauch bzw. die ver­trags­ge­mä­ße Nut­zung, der bzw. die be­ein­träch­tigt sei.  Zu­dem führt das Land­ge­richt aus, es gä­be auch in der Li­te­ra­tur star­ke Stim­men, die bei „co­ro­nabe­ding­ten Kon­flik­ten von Miet­par­tei­en“ vor­ran­gig das Miet­min­de­rungs­recht her­an­zie­hen wür­den.

Im Er­geb­nis meint das Ge­richt des­halb in dem von ihm zu ent­schei­den­den Fall, dass auf­grund des fest­ge­leg­ten Nut­zungs­zwecks – der Be­trieb ei­nes Ein­zel­han­dels – die „ver­trags­ge­mäß vor­aus­ge­setz­te Nut­zungs­mög­lich­keit der Miet­sa­che selbst“ durch die be­hörd­li­che Ein­schrän­kung be­trof­fen sei. Die Schlie­ßungs­an­ord­nung fal­le ge­ra­de nicht in den Ri­si­ko­be­reich des Mie­ters:

„Schrift­lich fest­ge­leg­ter (§ 1 Miet­ver­trag) und über­dies deut­lich von den Par­tei­en vor­aus­ge­setz­ter Miet­zweck war der Be­trieb zur Nut­zung als … zum Zwe­cke des Ein­zel­han­dels. Die­ser Miet­zweck konn­te nach den öf­fent­lich recht­li­chen Be­schrän­kun­gen in­fol­ge der Co­ro­na Epi­de­mie nicht mehr ein­ge­hal­ten wer­den. Die­se Be­schrän­kun­gen fal­len nicht in den Ri­si­ko­be­reich der be­klag­ten Mie­te­rin.“

Auch die im kon­kre­ten Fall wei­ter­hin streit­ge­gen­ständ­li­chen pan­de­mie­be­ding­ten Be­schrän­kun­gen der Ver­kaufs­flä­che und der Kun­den­zahl sieht das Land­ge­richt Mün­chen als Miet­man­gel an. Die Hö­he der Miet­min­de­rung hat es an­hand der je­wei­li­gen Ein­schrän­kun­gen ge­staf­felt (für die Zeit der Schlie­ßungs­an­ord­nung wa­ren es bspw. 80 %).

Da­ne­ben stell­te das Ge­richt fest, dass auch ei­ne Stö­rung der Ge­schäfts­grund­la­ge nach § 313 BGB ge­ge­ben sei, die ei­ne An­pas­sung der Mie­te auf die Hö­he des ge­min­der­ten Miet­zin­ses zur Fol­ge ha­be. Die Miet­min­de­rung er­ach­te­te das Ge­richt in­so­weit aber als vor­ran­gig.

Wei­te­re Ent­wick­lung bleibt ab­zu­war­ten

Die oben ge­nann­ten Ur­tei­le ver­mit­teln ei­nen ers­ten Ein­druck von den ak­tu­ell ver­tre­te­nen Mei­nun­gen in der Recht­spre­chung. Es bleibt je­doch ab­zu­war­ten, wie Ober­lan­des­ge­rich­te (oder gar der Bun­des­ge­richts­hof) über die Fra­ge der Miet­re­duk­ti­on wäh­rend der CO­VID-19-be­ding­ten Ein­schrän­kun­gen ent­schei­den. Zu­dem blei­ben Be­ur­tei­lung und Ar­gu­men­ta­ti­on in je­dem Fal­le vor­erst ei­ne Ein­zel­fall­fra­ge, da al­le Land­ge­rich­te ih­re Ent­schei­dun­gen auf die je­wei­li­gen Um­stän­de des zu­grun­de­lie­gen­den Sach­ver­hal­tes stüt­zen. Es ist bei­spiels­wei­se gänz­lich of­fen, wie das Land­ge­richt Hei­del­berg bei ei­ner län­ger an­dau­ern­den Schlie­ßungs­an­ord­nung und/oder Exis­tenz­ge­fähr­dung der Mie­te­rin ent­schie­den hät­te – ei­ne Miet­re­duk­ti­on über ei­nen Weg­fall der Ge­schäfts­grund­la­ge wä­re dann ggf. nicht aus­ge­schlos­sen ge­we­sen.

 

 

Verfasst von Maria Weiss and André Lohde.

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