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Die deutsche Hotelwirtschaft erleidet erhebliche finanzielle Einbußen als Folge der Corona-Krise. Zahlreiche Hotelbetreiber verhandeln derzeit mit ihren Vermietern, Gesellschaftern, Banken und übrigen Finanzierungspartnern über Liquiditäts- und Eigenkapitalhilfen. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, auch einen Blick auf die Finanzierungshilfen zu werfen, die der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) der deutschen Bundesregierung zur Verfügung stellt.
Der WSF steht zur Unterstützung von mittelgroßen und großen Unternehmen der Realwirtschaft in Deutschland zur Verfügung, die durch die Corona-Krise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. Um als Empfänger von WSF-Mittel in Betracht zu kommen, müssen Unternehmen vor dem 1. Januar 2020 in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren zwei der folgenden drei Größenkriterien überschritten haben: (i) Bilanzsumme von mehr als 43 Millionen Euro, (ii) Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro und/oder (ii) mehr als 249 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt. Vorrangig kommt es insoweit auf die Größe des konkreten hilfsbedürftigen Unternehmens an. Ersatzweise ist jedoch auch eine konsolidierte Betrachtungsweise unter Einbeziehung verbundener Unternehmen zulässig.
Weitere Zugangsvoraussetzung ist, dass das betreffende Unternehmen erst durch die Corona-Krise in wirtschaftliche Not geraten ist, d.h. also nicht bereits zuvor ein sog. „Unternehmen in Schwierigkeiten“ im Sinne der Terminologie der EU-Kommission gewesen ist. Dafür darf das Unternehmen nicht bereits zum Stichtag des 31. Dezember 2019 eines der folgenden Kriterien erfüllt haben: (i) Insolvenzreife, (ii) Aufzehr von mehr als 50% des gezeichneten Stammkapitals durch aufgelaufene Verluste oder (iii) in den vergangenen beiden Jahren ein Verschuldungsgrad von höher als 7,5 im Vergleich zum Eigenkapitalbuchwert oder höhere Zinsaufwendungen als das erwirtschaftete EBITDA.
Ferner muss für das betroffene Unternehmen eine klare und eigenständige Fortführungsprognose für die Zeit nach Corona-Pandemie bestehen. Es darf also gemäß der Mittelfristplanung des Unternehmens kein ungedeckter Finanzbedarf bestehen.
Auf den WSF kann erst dann zurückgegriffen werden, sofern keine anderen Finanzierungsmittel von Seiten der Gesellschafter, Banken oder sonstigen Finanzierungspartner zur Verfügung stehen. Mittel des WSF können aber mit anderen Finanzierungen (z.B. KfW-Finanzierungen) kombiniert werden, sofern letztere nicht ausreichen, um den Finanzierungsbedarf zu decken. Die WSF-Hilfen sind auch für solche Unternehmen relevant, die bereits Darlehen von der KfW aufgenommen haben. Häufig sind KfW-Darlehen nur der erste Schritt. Eine Aufnahme von Eigenkapital oder eigenkapitalähnlichen Mitteln kann im späteren Verlauf erforderlich sein, um den Eigenkapitalanteil zu stärken bzw. in der Lage zu sein, die aufgenommenen KfW-Darlehen zurückzuzahlen.
Der WSF kann Eigenkapital, Hybridkapital sowie Bürgschaften oder Garantien für Fremdkapital zur Verfügung stellen. Für einen Finanzierungsbedarf von bis zu EUR 100 Mio. hat der WSF standardisierte Modelle von Ausfallbürgschaften zur Absicherung von bis zu 90% inklusive Zinsen der Darlehenssumme für Neukredite (als Liquiditätshilfe) bzw. von stillen Beteiligungen (als Liquiditäts- bzw. Eigenkapitalhilfe) entwickelt. Größere Finanzierungen würden individuell ausverhandelt und können auch komplexere kombinierte EK- und FK-Hilfen enthalten (z.B. Nachrangdarlehen, Genussscheine, stille Beteiligungen, Wandel- und Optionsanleihen, Gesellschaftsanteile mit oder ohne Stimmrecht für den WSF).
Für die Konditionen der WSF-Hilfen gelten relativ strenge beihilferechtliche Vorgaben der EU-Kommission. So ist z.B. bei stillen Beteiligungen ein jährlich steigender Zinssatz für die Gewinnbeteiligung vorgesehen (4,0% im 1. Jahr; 4,5% im 2./3. Jahr; 5,0% im 4./5. Jahr; 7,0% im 6./7. Jahr und 9,5% ab dem 8. Jahr). Ferner gelten diverse weitere Auflagen, wie z.B. Beschränkungen für die Vergütung des Unternehmensmanagements, Dividendenverbote sowie Verbote bzgl. einer aggressiven Expansionsstrategie.
Finanzierungshilfen des WSF sind beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) zu beantragen. Hierzu kann über die Website des BMWi eine Anfrage über ein Online-Formular erstellt werden, die von PwC als Berater des BMWi vorgeprüft wird. Das BMWi schaltet im weiteren Verfahrensverlauf das Bundesfinanzministerium (BMF) sowie die Finanzagentur der Bundesrepublik Deutschland (Finanzagentur) ein, welche den WSF verwaltet. Die Entscheidung über die Mittelgewährung wird im Regelfall von BMWi und BMF gemeinsam getroffen, bei besonders großen Stabilisierungsmaßnahmen entscheidet der interministerielle WSF-Ausschuss bzw. bei standardisierten Bürgschaften die KfW. Mittel des WSF können bis zum 31. Dezember 2021 gewährt werden.
Wie vom BMWi kürzlich berichtet liegen dem BMWi derzeit Anträge bzw. Voranfragen für WSF-Hilfen von rund 60 Unternehmen vor, davon 14 Fälle von Eigenkapitalhilfen.
Zwar wird die Attraktivität von Finanzierungshilfen des WSF durch die beihilferechtlichen Vorgaben seitens der EU Kommission etwas eingeschränkt. Gleichwohl wären Hotelbetreiber, die aufgrund der Corona-Krise in wirtschaftliche Not geraten sind, gut beraten, sich auch mit den verfügbaren Finanzierungshilfen des WSF zu beschäftigen.
Wir haben im Frühsommer 2020 die Bundesregierung bei der Gewährung von Stabilisierungshilfen i.H.v. EUR 6 Mrd. durch den WSF an die Deutsche Lufthansa AG beraten. Daher sind wir mit den rechtlichen Anforderungen für die Gewährung von WSF-Mitteln bestens vertraut.
Verfasst von Dr. Tim Oliver Brandi, and Prof. Dr. Michael Schlitt