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Über zwei Jahre nach Ausbruch der Covid-19-Pandemie sind deren Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft immer noch deutlich spürbar. Insbesondere die Hotelbranche ist von der sogenannten 4. Welle, den derzeitigen Rekordinzidenzen sowie den damit verbundenen staatlich angeordneten Einschränkungen wie 2G (Plus)- bzw. 3G-Regelungen weiterhin stark betroffen.
Maßnahmen wie insbesondere Hilfskredite, staatliche Garantien und Zuschüsse konnten die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zwar abmildern, aber nicht vollständig kompensieren. Insbesondere die Auszahlung der Überbrückungshilfen verläuft eher schleppend, was bei Schuldnern teilweise erhebliche planerische Schwierigkeiten verursachen kann.
Selbst bei einem im Normalbetrieb funktionierenden Geschäftsmodell und grundsätzlich verhandlungsbereiten Gläubigern können sich Hotelbetreiber daher aktuell akuten Liquiditätsengpässen ausgesetzt sehen. Zwar haben unsere Erfahrungen der letzten beiden Jahre gezeigt, dass gerade Vermieter und Mieter, aber auch Franchisegeber und Franchisenehmer in der Regel intensiv und konstruktiv zusammengearbeitet haben, um konsensuale Lösungen für von solche Fälle zu entwickeln. Vor dem Hintergrund der mit den aktuell ungewissen Aussichten verbundenen planerischen Unsicherheiten können konsensuale Lösungsmöglichkeiten in bestimmten Fällen jedoch nicht mehr ohne die Gefahr einer potentiellen Insolvenzverschleppung und den damit einhergehenden zivil- und strafrechtlichen Haftungsrisiken weiterverfolgt werden.
Wie sich den Medien entnehmen ließ, hat sich im Lichte einer ebensolchen Situation jüngst die Geschäftsführung der Success Hotel Management GmbH* für eine Restrukturierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung in Kombination mit einem Insolvenzplan entschieden. Die Success Hotel Management GmbH ist eine familiengeführte Hotelgesellschaft, die aktuell als Franchisenehmer 25 Hotels in Deutschland betreibt. Die verzögerte Auszahlung von Corona-Hilfen inmitten der 4. Welle sollen den Schritt in die Insolvenz erforderlich gemacht haben. Die Eigenverwaltung wurde am 10. Januar 2022 angeordnet.
Das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung in Verbindung mit einem Insolvenzplan ist ein geeignetes Werkzeug zur Fortführung des Geschäftsbetriebs und Restrukturierung des schuldnerischen Unternehmens. Weiterer Vorteil der Eigenverwaltung im Gegensatz zum Regelverfahren ist, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis in den Händen der Geschäftsführung verbleibt und gerade nicht auf den Insolvenzverwalter übergeht. Dies kann hilfreich sein, um die Vertrauensbeziehungen mit bestehenden Vertragspartnern, insbesondere Vermietern und Franchisegebern zu erhalten und im Unternehmen liegendes Know-How ohne Disruptionen weiternutzen zu können.
Zwar bietet auch das Restrukturierungsverfahren nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) einen Regelungsrahmen für die Restrukturierung von Forderungen auf Grundlage eines Restrukturierungsplans, bei dem der Schuldner weitestgehend autonom mit lediglich geringfügiger Einbindung des Restrukturierungsgerichts und ggfs. eines Restrukturierungsbeauftragten agieren kann. Während das Restrukturierungsverfahren zum Vorteil hat, dass nach dem sachgerechten Auswahlermessen des Schuldners lediglich bestimmte Forderungen und Gläubiger in das Verfahren einbezogen werden können und das Verfahren unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit geführt werden kann, könnte mit Blick auf die Möglichkeit der vorzeitigen Auflösung unwirtschaftlicher Miet-, Pacht- und sonstiger laufender Verträge sowie des Eingriffs in Arbeitnehmerforderungen eine Restrukturierungslösung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens insbesondere für Hotelbetreiber die möglicherweise geeignetere Lösung sein. Formell können Gläubiger im Rahmen der Gläubigerversammlung oder durch Mitwirkung im Gläubigerausschuss, sofern ein solcher bestellt wurde, partizipieren. Nach unserer Erfahrung findet daneben zumindest in solchen Verfahren, die auf Fortführung des Geschäftsbetriebs ausgerichtet sind, ein konstanter und konstruktiver Austausch zwischen der Geschäftsführung des Schuldners und den wichtigen Gläubigern, wie insbesondere den Vermietern und Franchisegebern, statt, um die Fortführung nicht zu gefährden.
Zu beachten ist jedoch, dass sich mit dem Inkrafttreten des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes (SanInsFoG) zum 1.1.2021 die Anforderungen an die (vorläufige) Eigenverwaltung deutlich erhöht haben. Neben dem Eigenantrag, der bisher lediglich Erläuterungen enthalten sollte, weshalb die Eigenverwaltung nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führt, hat der Schuldner dem Insolvenzgericht nun eine umfassende Eigenverwaltungsplanung vorzulegen. Diese beinhaltet folgendes:
Finanzplan für einen Zeitraum von 6 Monaten nebst Darstellung der Finanzierungsquellen;
Konzept für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit detaillierten Darstellungen zu Art, Ausmaß und Ursachen der Krise;
Darstellung des Verhandlungsstands u.a. mit den Gläubigern und Gesellschaftern des Schuldners;
Darstellung der Vorkehrungen zur Sicherstellung der Erfüllung der insolvenzrechtlichen Pflichten der Geschäftsleitung;
Begründete Darstellung der Mehr- und Minderkosten der Eigenverwaltung im Vergleich zum Regelverfahren.
Vor dem Hintergrund der gesteigerten Anforderungen an die Eigenverwaltung ist anzuraten, sich frühestmöglich mit den bestehenden Sanierungsoptionen auseinanderzusetzen und diese sorgfältig vorzubereiten. Grundstein für die erforderliche Dokumentation und Planung ist dabei eine bereits im Vorfeld sorgfältig geführte Buchhaltung und integrierte Planungsrechnung.
Das Planverfahren gibt dem angeschlagenen Hotelbetreiber konkrete Gestaltungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Sanierung seines Unternehmens. Zwar ist gesetzgeberisches Verfahrensziel des Insolvenzplans ebenfalls die bestmögliche Gläubigerbefriedigung. Allerdings steht dabei nicht die Zerschlagung des schuldnerischen Unternehmens im Vordergrund, sondern dessen Fortführung. Das deutsche Planverfahren ist dem US-amerikanischen Chapter 11-Verfahren angelehnt und enthält wie dieses das Konzept des „debtor-in-possession“.
Ein Planverfahren bietet sich in den Fällen für eine Restrukturierung an, in denen aus wirtschaftlicher Sicht eine realistische Chance besteht, dass der Hotelbetrieb tatsächlich saniert und weitergeführt werden kann. In einer Zeit wie der aktuellen, in der insbesondere Hotelbetreiber mit gravierenden, aber letztlich unverschuldeten und aller Wahrscheinlichkeit nach vorübergehenden Problemen konfrontiert sind, kann das Planverfahren eine erfolgreiche Sanierung ermöglichen.
Eine strukturierte Insolvenz, die eine Fortführung des Unternehmens ermöglicht, kann für den einzelnen Hotelbetreiber vorzugswürdiger sein als eine sich immer weiter erhöhende Verschuldung, die realistisch selbst bei einer Erholung des Markts nicht rückzahlbar wäre. Wartet man zu lange mit der Restrukturierung, kann es sein, dass das Unternehmen nicht mehr sanierungsfähig und damit eine vollständige Abwicklung des Unternehmens zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr vermeidbar ist.
Das Unternehmen profitiert bei der Eigenverwaltung in Kombination mit einem Insolvenzplan insbesondere von folgenden Vorteilen:
Rettung und Reorganisation des bestehenden Unternehmens. Das bisherige Management führt mit Unterstützung eines Sachwalters das Unternehmen in Eigenverwaltung fort.
Große Gestaltungsfreiheit bei Vertragsbeziehungen:
Laufende Verträge können fortgeführt werden; für bestimmte laufende Verträge bestehen besondere Kündigungsrechte, die z.B. die Lösung von unwirtschaftlichen Mietverträgen mit langjähriger Vertragsdauer erlauben.
Möglichkeit der Stundung bzw. des (vollständigen oder teilweisen) Erlasses von Forderungen der Gläubiger.
Aufrechterhaltung von Konzessionen und Lizenzen, die für den Geschäftsbetrieb erforderlich sind.
Vornahme sämtlicher gesellschaftsrechtlich zulässiger Maßnahmen, z.B. die Akquisition eines neuen Investors durch Kapitalherabsetzung auf null sowie sofortiger Kapitalerhöhung und Ausgabe neuer Geschäftsanteile bzw. Aktien bei gleichzeitigem Ausschluss des Bezugsrechts der Altgesellschafter bzw. -aktionäre.
Verschiedene Steuervorteile.
Und nicht zuletzt: zügige Umsetzung der Restrukturierung.
Um von diesem Restrukturierungsinstrument Gebrauch machen zu können, ist zunächst ein Insolvenzplan zu erstellen. Ist in dem Insolvenzverfahren ein Gläubigerausschuss bestellt, wirkt dieser bei der Planerstellung mit. Im Rahmen eines sogenannten Schutzschirmverfahrens kann der Schuldner bereits das vorläufige Insolvenzverfahren zur Vorbereitung des Insolvenzplans nutzen. Zusätzlich zu den oben dargestellten Voraussetzungen der vorläufigen Eigenverwaltung hat der Schuldner hierfür seinem Antrag eine von einem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt erstellte Sanierungsbescheinigung beizufügen, aus der sich ergibt, dass der Schuldner noch nicht zahlungsunfähig ist und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Ob die Success Hotel Management GmbH hiervon ebenfalls Gebrauch gemacht hat, ließ sich den verfügbaren Medienberichten und unseren Marktinformationen nicht konkret entnehmen.
Der Insolvenzplan muss einen darstellenden und einen gestaltenden Teil enthalten. Ersterer muss alle für die Gläubiger relevanten Informationen aufführen, letztlich die Unternehmensgeschichte und die bisherige Entwicklung zusammenfassen und erläutern, wie es zur Krise gekommen ist und welche Maßnahmen für eine erfolgreiche Sanierung aus Sicht des Planerstellers notwendig sind.
Der gestaltende Teil regelt die Rechtstellung der Beteiligten. Die Gläubiger (mit Ausnahme der Massegläubiger und der Aussonderungsberechtigten, deren Rechte durch den Insolvenzplan nicht betroffen sein dürfen) werden in Gruppen eingeteilt (absonderungsberechtigte Gläubiger, einfache Insolvenzgläubiger, nachrangige Gläubiger, Gesellschafter, ggf. auch Arbeitnehmer). Das Gesetz gibt dem Planersteller einen großen Spielraum, ob und wie diese Hauptgruppen noch weiter in Untergruppen unterteilt werden. So müssen sie lediglich „sachgerecht voneinander abgegrenzt werden“. Die Beziehungen zwischen dem schuldnerischen Unternehmen und den einzelnen Gläubigergruppen werden detailliert mit Blick auf sämtliche Vermögenswerte, Verbindlichkeiten und Anteile des sich in der Krise befindenden Unternehmen geregelt (zu den möglichen Maßnahmen s. oben).
Der Insolvenzplan ist zunächst dem Insolvenzgericht vorzulegen und wird anschließend den Gläubigern zur Abstimmung gestellt. Dies geschieht im sog. Erörterungs- und Abstimmungstermin. Grundsätzlich ist zur Annahme des Plans die Zustimmung der Mehrheit der abstimmenden Gläubiger jeder Gläubigergruppe wie im Plan vorgesehen erforderlich. Selbst wenn die notwendige Mehrheit in einer Gläubigergruppe nicht zustande kommt, gilt deren Zustimmung auf Grundlage des sog. Obstruktionsverbots erteilt, wenn (i) die Gläubiger dieser Gruppe nicht schlechter gestellt werden als sie ohne Plan stünden und angemessen am wirtschaftlichen Wert des Plans beteiligt werden sowie (ii) die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Insolvenzplan zugestimmt hat. Auch das schuldnerische Unternehmen muss dem Plan zustimmen. Wenn das Insolvenzgericht den Plan bestätigt, wird er rechtskräftig. Als Rechtsschutzmöglichkeit können Gläubiger im Rahmen des Minderheitenschutzes beantragen, dass der Insolvenzplan nicht bestätigt wird. Gegen den Bestätigungsbeschluss steht Gläubigern zudem das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu.
Der Fall der Success Hotel Management GmbH zeigt, dass sich das Planverfahren in Verbindung mit der Eigenverwaltung insbesondere für die Sanierung von Hotelportfolien eignen könnte, die durch die pandemiebedingten Einschränkungen in die Krise geraten sind, so dass ansonsten vorzugswürdige konsensuale Restrukturierungsoptionen nicht mehr zur Verfügung stehen. Bevor zu dieser Maßnahme gegriffen wird, sollten Vermieter und Mieter jedoch versuchen, eine einvernehmliche Lösung für die durch die Covid 19-Pandemie verursachten Liquiditätsprobleme des Mieters zu finden. Sollte eine konsensuale Lösung nicht oder nicht kurzfristig möglich sein, bietet die Kombination von Eigenverwaltung und Insolvenzplan dem angeschlagenen Unternehmen diverse Möglichkeiten, die Restrukturierung aktiv zu gestalten. Insbesondere die Möglichkeit, sich im Rahmen eines Insolvenzverfahrens von unwirtschaftlichen Miet-/Pachtverträgen trennen zu können, kann eine effektive Restrukturierungsmaßnahme für den Hotelbetreiber sein.
Verfasst von Susann Brackmann und Katharina Kranzfelder
* Hogan Lovells International LLP berät keiner der an dem Verfahren beteiligten Parteien.