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Schutzimpfungen am Arbeitsplatz – Checkliste zur Organisation der Impfungen

Um die öffentlich etablierten Impfzentren zu entlasten und die vom Bund organisierte Impfkampagne voranzutreiben, bereitet sich eine wachsende Zahl an Unternehmen auf die Planung von Impfungen ihrer Mitarbeiter/innen im Betrieb vor. Die Möglichkeit hierzu wäre durch § 6 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung zum Anspruch gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 („CoronaImpfV“) grundsätzlich eröffnet. Danach darf die Impfleistung nach der CoronaImpfV durch „beauftragte“ Fachärzte*innen für Arbeitsmedizin und Ärzte/innen mit der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ (Betriebsärzte) erfolgen, „die als an einem bestimmten Impfzentrum angegliedert gelten“. Eine Arztpraxis oder ein Betriebsarzt/eine Betriebsärztin gilt dabei als beauftragt, sobald ihnen vom die Verteilung im Monopol organisierenden Bund oder einem Land Impfstoff zur Verfügung gestellt wird. Eine derartige Beauftragung der Betriebsärzte wird von vielen Seiten öffentlich gefordert, ist jedoch bisher noch nicht erfolgt (Stand: 8. April 2021).

Bei der Planung von Impfangeboten der Mitarbeiter/innen im Betrieb stellen sich jedoch eine Vielzahl praktischer, organisatorischer und rechtlicher Fragen, die der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin frühzeitig prüfen, klären und ggf. vertraglich unter Einbezug Dritter absichern sollte.

Arbeitgeber/innen müssen insbesondere folgende Punkte bedenken:

  • Die größte Herausforderung stellt aktuell weiterhin die Beschaffung des Impfstoffs dar. Derzeit regelt der Bund noch die Verteilung des Impfstoffes, wobei er sich des bereits existierenden Verteilungssystems des Arzneimittelgroßhandels und der Apotheken bedient. Betriebsärzte/Betriebsärztinnen können bereits jetzt Bestellungen für ihre geplante Beauftragung bei den Apotheken, mit denen sie üblicherweise zusammenarbeiten, platzieren. Sobald ein freier Verkauf der Impfstoffe erlaubt wird, könnte der Arbeitgeber direkt von den arzneimittelrechtlich zum Verkauf bzw. zur Abgabe von Impfstoffen Berechtigten (nach §§ 52a ff. Arzneimittelgesetz („AMG“), z.B. das pharmazeutische Unternehmen selbst und Arzneimittelgroßhandlungen) Impfstoffe erwerben.
  • Möglichkeiten zur adäquaten Lagerung der zu verimpfenden Impstoffe (insbesondere eine ausreichende Kühlung) müssen geschaffen werden.
  • Es müssen dem aktuellen Hygienekonzept entsprechende Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Erforderlich sind dafür Räumlichkeiten, die gut zu lüften sind, eine entsprechende Größe besitzen, um die Einhaltung der Abstandsregelungen zu gewährleisten und die Schaffung separater Ein- und Ausgangsbereiche erlauben, sodass Menschenansammlungen insbesondere im Wartebereich vermieden werden können. Die Räumlichkeiten sollten zudem frei zugänglich sein, d.h. keinen gesonderten betrieblichen Zugangsbeschränkung unterliegen.
  • Nicht nur für die Organisation, sondern auch für die Durchführung und Abrechnung der Impfungen und der damit im Zusammenhang stehender Behördenkommunikation ist eine Erhebung von personenbezogenen Daten erforderlich, wofür die datenschutzrechtlichen Vorgaben beachtet werden müssen. Die datenschutzrechtlichen Aspekte werden wir in einem weiteren Beitrag vertiefen.
  • Viele Unternehmen haben angekündigt, Impfstraßen einzurichten, für deren Betrieb die vorhandenen betriebsärztlichen Kapazitäten häufig nicht reichen dürften. Insbesondere bei einer größeren Mitarbeiterzahl ist daher frühzeitig zu erwägen, zusätzliches medizinisch geschultes Personal vertraglich einzubinden, um die Betriebsärzte/Betriebsärztinnen zu unterstützen und die große Anzahl von Impfungen bewältigen zu können. Bereits jetzt bieten verschiedene medizinische Dienstleistungsunternehmen die organisierte Durchführung von Impfungen in Unternehmen mit der Maßgabe an, dass ein Impfstart erfolgt, sobald dieser rechtlich möglich sein wird. Arbeitgeber/innen, die die Einschaltung eines solchen Dienstleisters planen, sollten sich vorab Gedanken, insbesondere über die vertraglichen Regelungen der von den Dienstleistern zu übernehmenden Tätigkeiten, deren Vergütung und Möglichkeiten einer Rückerstattung, machen.
  • Auch Schwierigkeiten bei der Kapazitätsplanung sind abzuwägen. Zurzeit ist noch unklar, ob und wann Impfstoff in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht, um in einem kurzen Zeitraum (z.B. in Impfstraßen) viele Impfungen durchzuführen. Wenn zu diesem Zeitpunkt die Impfzentren und Hausärzte viele Impfungen durchgeführt haben, wird der Bedarf für Impfstraßen sinken. Auch steht es (abgesehen von bestimmten Sonderfällen) jedem Mitarbeiter/innen frei, ob er ein Impfangebot des Arbeitgebers wahrnimmt oder nicht (wird in einem weiteren Beitrag vertieft). Es gibt daher viele Unbekannte. Für den Abruf vor allem externer Kapazitäten sollte daher ausreichend Flexibilität in den Vereinbarungen vorgesehen werden.
  • Es sind (lohn-)steuer- und sozialversicherungsrechtliche Implikationen eines Impfangebots für die Mitarbeiter/innen zu betrachten. Klare Aussagen der Finanzbehörden fehlen hierzu bislang.
  • Ferner sind haftungsrechtliche Fragen und potentiellen Folgen frühzeitig zu prüfen. Für Impfschäden haften grundsätzlich primär der pharmazeutische Hersteller eines Impfstoffs oder der impfende Arzt/die impfende Ärztin samt seines Personals. Diese Akteure werden derzeit nach § 3 Abs. 4 S. 1 der Medizinischer Bedarf Ver-sorgungssicherstellungsverordnung („MedBVSV“) unter bestimmten Umständen von der strikten Haftung des § 84 AMG befreit. Sie haben hiernach grundsätzlich nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Dies gilt jedoch nur, solange der Impfstoff und das Impfzubehör durch das Bundministerium für Gesundheit („BMG“) in Verkehr gebracht werden.

In unserem Beitrag vom Beitrag vom 31. März 2021 haben wir aufgezeigt, dass insbesondere gestaltungstechnische Möglichkeiten bestehen, eine direkte Inanspruchnahme des Arbeitgebers durch seine Mitarbeiter/innen zu minimieren. Allerdings besteht derzeit keine 100%-ige Sicherheit, dass Gerichte im Falle von betrieblich organisierten Schutzimpfungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus dem bisherigen Rechtsprechungsduktus folgen werden. Hier sind Gesetzgeber und Ministerien gefordert, Klarheit und pragmatische Regeln zu schaffen, um die Bereitschaft der Unternehmen zur Unterstützung der Impfkampagne zu erhöhen. Bei der Einschaltung Dritter, wie den angesprochen medizinischen Dienstleistungsunternehmen, kann es sinnvoll sein, möglichst weitreichend die oben genannten Tätigkeiten auszulagern. Zudem kann eine ausreichende Absicherung über Versicherungen der eingeschalteten Ärzte/Ärztinnen und Dienstleistungsunternehmen ein weiteres adäquates Mittel sein, die finanzielle Risiken möglichst zu begrenzen.

In unserer Blogreihe werden wir weiter auf die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und dabei u.a. darauf eingehen, welche Pflichten bestehen oder welche Anreize geschaffen werden können, um die aufwendig organisierten Impfleistungen auch möglichst flächendeckend und kurzfristig bei der Belegschaft „ankommen“ zu lassen. Auch den datenschutzrechtlichen Themen werden wir einen eigenen Beitrag widmen.

 

 

Geschrieben von Nicole Böck und Dr. Lars Mohnke

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