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Viele deutsche Unternehmen sind nach eigener Aussage schon bereit zum Impfen. Einige wollen eigene Impfstraßen aufsetzen, um das Impfgeschehen in ihrem Betrieb und damit auch in Deutschland voranzubringen. In vielen Bundesländern wurden zu diesem Zweck Impfallianzen gebildet. In Bayern werden beispielsweise im Rahmen eines Modellprojekts zehn Unternehmen 50.000 Impfdosen zur Verfügung gestellt. Auch viele mittelständische Unternehmen wollen aus guten Gründen selbst die möglichst weitgehende und rasche Impfung ihrer Belegschaften gewährleisten, hauptsächlich um Betriebsunterbrechungen oder sonstige Beeinträchtigungen zu vermeiden. Um Impfungen noch attraktiver zu machen könnten kleine Anreize und Prämien wie großzügige Zeitgutschriften den Unterschied machen. Aktuell dürfen Unternehmen jedoch noch nicht selbstständig ihre Belegschaft impfen und müssen mit Impfzentren zusammenarbeiten.
Die Impfung ist zurzeit noch Arztpraxen und Impfzentren vorbehalten. Nur innerhalb einzelner Modellprojekte (z.B. BASF und VW) wird hiervon eine Ausnahme gemacht. Derzeit stellen sich für die Unternehmen neben organisatorischen, datenschutzrechtlichen und haftungsrechtlichen Fragen (s. vorherige Blogposts) insbesondere Fragen zur Impfstoffauswahl und möglichen Kosten.
Bereits im Bund-Länder Beschluss vom 3. März 2021 wurde eine stärkere Beteiligung aller Betriebsärzte an der für Deutschland ausgerufenen Impfkampagne angekündigt. In der aktuellen Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 („CoronaImpfV“) sind Betriebsärzte bereits als mögliche Leistungserbringer aufgeführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 CoronaImpfV). Allerdings besteht derzeit noch die Einschränkung, dass Betriebsärzte an ein Impfzentrum angegliedert sein müssen bzw. nach der CoronaImpfV beauftragt sind. Ein Betriebsarzt gilt dabei als beauftragt, sobald ihr oder ihm vom Bund oder einem Land Impfstoff zur Verfügung gestellt wird. Arbeitgeber können Betriebsärzte also noch nicht eigenständig zum Impfen von Mitarbeitern einsetzen, wenn sie nicht im Rahmen eines Modellprojekts ausgewählt wurden.
Jüngsten Angaben des Bundesministeriums der Gesundheit („BMG“) zufolge sollen Unternehmen ab Juni in die nationale Impfstrategie eingebunden werden.[1]
Neben organisatorischen, datenschutz- und haftungsrechtlichen Fragen (s. vorherige Blogposts) stellen sich bei der Impfung durch Betriebsärzte insbesondere Fragen zur Impfstoffauswahl und möglichen Kosten.
Patienten*innen dürfen zum jetzigen Zeitpunkt an sich auf Grund der Impfstoffknappheit nicht zwischen den zur Verfügung stehenden Impfstoffen wählen (§ 1 Abs. 1 CoronaImpfV). Es besteht nur ein genereller Anspruch auf Schutzimpfung (§ 1 Abs. 1 CoronaImpfV)[2].
Jedoch können Hausarztpraxen bei der Impfstoffbestellung sowohl die Anzahl wie auch die Art des Impfstoffs festlegen[3]. Es ist neuerdings auch ausdrücklich zulässig, nur einen der Impfstoffe zu bestellen. Das Impfzubehör (Kanülen, Spritzen etc.) wird bei der Lieferung des Impfstoffes mitgeliefert. Für Unternehmen gibt es daher momentan zwei mögliche Szenarien:
Praktisch wird es zunächst aber kaum Auswirkungen haben. Die hohen Liefermengen des BioNTech-Impfstoffs in Verbindung mit den Lieferverzögerungen und der Alterseingrenzung bei AstraZeneca werden wohl faktisch zu einer primären Belieferung mit BioNTech-Impfstoff führen. Der Moderna-Impfstoff dagegen wird bis jetzt nur in Impfzentren verimpft. Aufgrund der erhöhten Anforderungen beim Transport des Moderna-Impfstoffes erscheint ein Einsatz in Unternehmen derzeit unwahrscheinlicher. Eine Aussage zum Einsatz von Impfstoff von Johnson & Johnson lässt sich derzeit nur schwer treffen. Der Impfstoff von CureVac oder der Sputnik-Impfstoff müssen zuvor überhaupt erst noch in der Europäischen Union zugelassen werden.
Wieviel Impfstoff den Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, kann sich nach der Anzahl der Betriebsärzte oder der Anzahl der Beschäftigten richten. Bei Hausarztpraxen richtet sich die bestellbare Liefermenge aktuell nach der Anzahl der Ärzte mit LANR (lebenslanger Arztnummer) und ist unabhängig davon wie viele Hausärzte sich eine Betriebsstätte teilen. Vielmehr ist jeder Hausarzt/ jede Hausärztin mit LANR bestellberechtigt. Hingegen wird der Impfstoff für die Impfzentren zentral durch die Länder zugeteilt. Es ist derzeit davon auszugehen, dass es entsprechend auch eine zentrale Verteilung des Impfstoffs durch die Länder an die Unternehmen geben wird, solange es noch nicht genügend Impfstoff gibt. Ein denkbares Szenario wäre auch, Unternehmen mit Impfstraßen und großen Kapazitäten wie in den bekannten Modelprojekten wie eine Art Außenstelle eines Impfzentrums mit größeren Impfstoffmengen zu beliefern. Damit könnte in kurzer Zeit eine große Zahl von Personen geimpft werden. Ob das aber kommt und wie in diesem Fall die Verteilungsgrundsätze wären, darüber lässt sich nur spekulieren.
Neben den Kosten des Impfstoffes fallen bei der Impfung zusätzliche Kosten für Impfmaterialien, aber insbesondere auch Personalkosten für Betriebsärzte und medizinisches Personal, Aufklärungsarbeit sowie für die Ausstattung von geeigneten Räumlichkeiten an. Während die Kosten des Impfstoffes bei einer staatlichen Verteilung durch den Bund getragen werden, ist derzeit noch nicht abschließend klar, wer diese zusätzlichen Kosten bei der Impfung im Betrieb trägt. Die aktuelle Fassung der CoronaImpfV nennt zwar erstmals auch die Betriebsärzte als Leistungserbringer, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 3 CoronaImpfV. Es dürfte unstreitig sein, dass auch bei der Impfung im Betrieb der Bund die Kosten für den Impfstoff übernimmt. Allerdings gibt es in Bezug auf die Vergütung von Betriebsärzten, die im Auftrag eines Unternehmens tätig werden, Konkretisierungsbedarf. Einerseits ist geregelt, dass sie wie die Hausärzte EUR 20,00 pro Impfung erhalten sollen (§ 9 Abs. 4 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 CoronaImpfV). Andererseits heißt es, dass ein Anspruch auf diese Vergütung dann nicht bestehen soll, wenn der Betriebsarzt die Impfleistung im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses in einem Betrieb oder im Rahmen einer Tätigkeit für einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten erbringt. Gemeint ist sicherlich, dass keine gesonderte Vergütung/Erstattung erfolgen soll, wenn die Impfungen im „normalen Geschäftsbetrieb“ erfolgen. Die Grenzziehung ist jedoch unklar. Regelmäßig werden Betriebsärzte und eingeschaltete Dienstleister nur auf Basis einer entsprechenden Vereinbarung tätig, die ihnen auch entsprechende Zahlungen (ggf. unter Anrechnung von Erstattungen) zusichert. Die Impfung von Betriebsangehörigen liegt im üblichen Anwendungsbereich von Betriebsärzten und eingeschalteten Dienstleistern, wie die jährlich geübte Praxis von Grippeschutzimpfungen zeigt. Daher wäre eine klare Aussage, dass für Coronaimpfungen im Betrieb grundsätzlich eine Erstattung erfolgt, wünschenswert. Die Bereitschaft der Unternehmen, die Impfstrategie zu unterstützen, wird schnell sinken, wenn sie fürchten müssen, auf Kosten sitzen zu bleiben, die sonst an anderer Stelle getragen worden wären (Impfzentren/Bund/Länder), wenn sie das Impfgeschehen nicht unterstützt hätten.
Geschrieben von Arne Thiermann und Nicole Böck.
[1] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus.html?fbclid=IwAR0irycTEW-VgFee6ocC-0OeL23hb-OHylETlfhqtlU6DoAnqd_WvmQjksI.
[2] S. Begründung zu § 1 im Referentenentwurf einer Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2; https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Verordnungen/CoronaImpfV_mit_Begruendung_080221.pdf.